Isoliertes Beckenbodentraining oder der ganzheitliche Ansatz?
Ich weiß noch genau, wie ich mich nach der Geburt meiner beiden Kinder gefühlt habe. Der Druck im Becken nach dem ersten Kind war extrem, in meinem Bauch war ein mega Loch, ich hatte ordentlich zu kämpfen und ich fand mich zwei Wochen nach der Geburt heulend im Auto wieder, zu meinem Mann sagen: "Hole bitte meine Organe und meinen Beckenboden an der Baumarkt-Kasse ab!" Was war passiert? Ich hatte nicht auf meine Warnzeichen gehört, ich wollte funktionieren, trotz Schmerzen. Was hätte ich um dieses Wissen früher gegeben? Viel, denn es hätte mich vor einigen gruseligen Dingen bewahrt. Aber was passiert eigentlich mit unserem Körper und hätte mir ein reines Anspannen mehrmals am Tag eigentlich etwas genützt? Das finden wir hier heraus:
Was passiert in der Schwangerschaft?
Eine befruchtete Eizelle wächst zu einem Kind heran, das ist ein riesen Wunder. Während dieser Zeit hat der Körper der Frau ganz schön viel zu leisten, ein Hormoncocktail sorgt dafür, das Bänder, Muskeln und knöcherne Strukturen nachgiebiger werden, es wird mehr Blut durch unseren Körper transportiert während er noch zwischen 10 bis 20 kg schwerer wird. Der Beckenboden, der wie eine Hängematte das Becken von unten innen abschließt und verbunden mit Bauch, Rücken, Po und Beinmuskulatur ist, hat ordentlich was zu Tragen, denn die Gebärmutter wird, neben dem Kind, immer schwerer.
Vaginalgeburt und Kaiserschnitt
Unter der Vaginalgeburt muss sich der Beckenboden bis zur 3-fachen Verlängerung aufdehnen, um den Kopf des Kindes durchtritt zu gewähren. Was für ein Glück für uns Frauen, das der Hormoncocktail aus Relaxin und Progesteron bereits dafür gesorgt hat, das er lockerer und dehnbarer ist. Oft kommen unter der Geburt Verletzungen im Dammbereich hinzu, so hat er es in der postnatalen Phase nicht leicht, seine vielfältigen Funktionen zu erfüllen. Bei einem Kaiserschnitt dehnt der Beckenboden sich nicht, dennoch hatte er bereits in der Schwangerschaft ordentlich zu tun. Die Überlegung statt einer vaginalen Geburt einen Kaiserschnitt vorzuziehen, ist also hinfällig. Zudem sei gesagt, dass die neurale Verknüpfung zur Muskulatur, Vernarbungen und Verklebungen nicht unbedingt bei der Ansteuerung des Beckenbodens helfen.
Wochenbett
Im Wochenbett, welches bis zu acht Wochen dauert, sollte der Regeneration und der Aufbau große Bedeutung haben. In den ersten Wochen nach der Geburt findet im Körper der Frau eine automatische, hormonelle Rückbildung statt, diese Zeit kann bereits sinnvoll genutzt und unterstützt werden. Hierbei geht es nicht um starke Fitnessübungen sondern um Atemtechniken, sanftes finden der Muskelschichten und Aufbau der tieferen Muskelschichten. Anregungen findest du in unserem Regenerationsplan, den du dir Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! kannst. In der Phase des Wochenbettes solltest Du der Beziehungsbildung zwischen Dir und Deinem Neugeborenen absoluten Raum geben und zulassen. Darüber hinaus ist es die Zeit für Deine körperliche Regeneration, das „Training“ besteht daher aus rehabilitativen Basis-Übungen, viel Ruhe, Entspannung und Familienzeit.
Rückbildungsphase
Idealerweise beginnt die Frau nach 6 bis 8 Wochen nach spontaner Geburt mit der Rückbildungsgymnastik (und nicht mit irgendwelchen beworbenen und hoch angepriesenen postnatalen Workouts!). Je früher begonnen werden kann, desto besser entfaltet sich die Wirkung. Neben einem Rückbildungskurs sollten noch mindestens 2 mal die Woche kleine Einheiten eingebaut werden, hier eignet sich z.B. der Regenerationsplan, auch frische Luft und Spaziergänge helfen dir und bringen frische Laune. Danach empfiehlt sich ein Körpermitte-test, um herauszufinden, inwieweit Sport wieder angebracht ist. Doch das "Go" bedeutet nicht unbedingt, dass sofort mit einem Intensiven HIIT-Programm, Besuchen im Fitnessstudio oder starkem Training begonnen werden kann. Nach wie vor stehen Beckenboden und Körpermitte im Focus der Kräftigung. Ich erlebe immer wieder, das sich dieses "Go" bei mir abgeholt wird, verbunden mit Fragen zu intensivem Sport, Laufen und Joggen, bitte lies hier weiter, wenn dich dieses Thema mehr interessiert.
Isoliert trainieren oder ganzheitlich?
Können wir nach befolgen der obigen Punkte denn erwarten, dass wir nun wieder Trampolinspringen können, unsere Kontinenz waren und alles sonst ist wie vorher? Die Beckenbodenmuskulatur ist aufgrund ihrer Zusammensetzung, ihrer unterschiedlichen Funktionen und der Anforderungen in unterschiedlicher Form zu trainieren. Rumpfstabilisierende- und kräftigende Übungen sollten in das Training integriert werden. Durch die Überdehnung der Bauchmuskulatur sowie eine verkürzte und überlastete Rückenmuskukatur wird die Pomuskulatur überdehnt und der Hüftbeugers verkürzt sich. Die gezielte Kräftigung der Pomuskulatur bewirkt die Dehnung des Hüftbeugers und dadurch die Anspannung des Beckenbodens. Im Schwanger in Balance arbeiten wir mit vielen dieser Techniken und arbeiten so präventiv. Helfermuskulatur im gesamten Becken, wie der M. piriformis, M. obturatoris und der M. occygeus, beteiligen sich ebenfalls an der Stabilisierung des Beckens und der Beine. Auch die Rücken- und Bauchmuskukatur sollte gedehnt und gekräftigt werden, da sie direkt über fasziales Gewebe mit dem Beckenboden verbunden ist.
Folgende Phasen sollte ein Programm daher nach dem Wochenbett beinhalten:
- Wahrnehmungsübungen
- Kräftigungsübungen
- Übungen für den Alltag
- Entspannungsübungen
Isoliertes Training hilft Müttern, den Beckenboden wahrzunehmen und ihn bewusst anzuspannen, danach sollte das Training weitergeführt werden und integriert werden, da der Beckenboden synergistisch mit diversen Muskelgruppen zusammen arbeitet. Vielseitige Übungen setzten viele unterschiedliche Reize an die Beckenbodenmuskulatur, daher ist ein abwechslungsreiches Training zu empfehlen.
Also liebe Frauen, absolviert erst eine Reha nach Geburt und Schwangerschaft, wie sie im Regenerationsplan z.B angeleitet wird, dann startet ihr mit der Rückbildung effektiv und übt weiter, stabilisiert und kräftigt, und danach besucht ihr bestmöglichst einen postnatal angepassten Kurs, wo Beckenboden und Körpermitte weiter im Fokus stehen. MamaWORKOUT mit Baby lässt dich entspannt fit werden und dein Baby ist dabei.
Wochenplan zur Beckenbodengesundheit
- Kraftausdauer des Beckenbodens in Form von hoher Widerholungszahl bei relativ kurzen Kontraktionen, sowie halten der Kraft über mehrere Atemzüge
- Reflektorisches Training mit kurzen und kräftigen Kontraktionen
- Ein bis zweimal pro Woche integriert in gesundheitliches Training wie Rückbildung und MamaWORKOUT
Beispiel für eine ganzheitliche Übung mit Integration des Beckenbodens:
Lege dich entspannt in Rückenlage, dein Baby darf gerne auf die liegen, andernfalls kannst du es, sollte es schon größer sein, auf deinem Becken Platz nehmen lassen. Stelle deine Füße hüftbreit auf, sodass deine Beine etwa in einem rechten Winkel sind und ziehe die Fußspitzen zu dir. Dein Nacken ist entspannt, deine Schultern sind tief. Lass deine Lendenwirbelsäule entspannt und konzentriere dich auf deinen Atem. Atme durch die Nase ein, durch den Mund aus. Beim Ausatmen schließt du sanft deine Körperöffnungen, ziehst Schambein und Steißbein von innen zusammen und lässt deine Sitzbeinhöcker mit lockerem Po zueinander finden. Stelle dir an diesen vier Punkten ein Band vor, welches sich nach oben Richtung Herzen zieht. Sobald du wieder einatmen musst, warte ruhig auf den Impuls, lässt du dies wieder los. Intensiviere diese Übung, in dem du mit angespannten Beckenboden dein Becken in einer Welle zu dir holst, dein Schambein Richtung Kinn wandert, beim Einatmen lasst du deine Lendenwirbelsäule wieder auf den Boden zurück sinken. Diese Übung kannst du noch mehr intensivieren, wenn du deinen Po weiter in die Luft abhebst, solange, wie du die Spannung im Beckenboden und in deinem Muskelkorsett halten kannst.
Also ihr Lieben: kümmert euch um Euch, euren Unterboden und eure Körpermitte in unterschiedlichen Situationen, isoliert UND ganzheitlich!
Tags: Sport, Kurse, MamaWORKOUT, Bauchmuskulatur, Rückbildung