Zupfst du noch Gras oder bist du bereit für eine effektivere Übung?
Der Beckenboden ist eine komplexe Muskelschicht, die je nach Zustand in unterschiedlichen Arten aktiviert werden kann. Immer häufiger begegnet mir dabei das sogenannte "Gras zupfen" - welches viel und häufig vermittelt wird. Warum du so deinen Beckenboden wenig effizient kräftigst, und dir diese Übung in deinem Zustand kaum hilft, möchte ich dir in diesem Artikel erklären.
Der Beckenboden besteht aus drei Schichten:
- Schicht M. sphincter ani externus, M. sphincterurethrae externus, M. bulbosponiosus
- Schicht M. transversus perinei profundus, M. transervsus perinei superficialis, M. ischiocavernosus
- Schicht M. levator ani
Er schließt das knöcherne Becken nach unten innen ab.
Augenmerk legen wir auf den M. sphincter urethrae externus (Harnröhrenschließmuskel) und dem M. sphincter ani externus (Afterschließmuskel). Diese sind ringförmig angeordnet und sehen zusammen aus wie eine Acht. Bei Anspannung ziehen sich die Ringmuskeln zusammen, bei der Entspannung öffnen sie sich wieder. Beide Schließmuskeln können allerdings getrennt von einander angespannt werden, und genau da liegt der Hase begraben.
Machen wir zuerst einen Test: setze dich aufrecht auf einen Stuhl, deine Beine sind im rechten Winkel, deine Füße haben gleichmäßigen Kontakt, dein Fußgewölbe ist aktiv, dein Becken gerade ausgerichtet, du spürst deine beiden Sitzbeinhöcker, deine Schultern sind hinten unten verankert, Brustbein ist gehoben, dein Blick gerade aus und du atmest entspannt durch die Nase ein, durch den Mund aus. Nun spüre einmal deine Körperöffnungen und fange mit der Übung "Gras zupfen" an. Pflücke Halm für Halm bis du eine Hand voll hast. Bemerkst du etwas? Es bewegen sich deine Schamlippen, also die Muskeln des oberen Ring!
Es geht gar nicht anders! Bedenke nochmal: du kannst beide Ringmuskeln unabhängig voneinander anspannen!
Was ist also eine bessere und geeignetere Variante um vorallem die erste Beckenbodenschicht komplett zu kräftigen und zu aktivieren?
Setze dich erneut wie oben beschrieben hin, lasse deinen Atmen fließen, durch die Nase ein, durch den Mund wieder aus. Stelle dir vor, du verschließt nun alle deine Körperöffnungen, Harnröhre, Scheide, After. Löse diesen Verschluss mit der Einatmung. Übe dies 1-2 mal und gehe nun weiter, suche dir gedanklich dein Schambein und dein Steißbein und versuche diese von innen zusammen zu führen. Es ist nur eine kleine Bewegung, diese aktiviert die erste Schicht des Beckenbodens. Du spürst das verbindende Muskelhaltekreuz, nämlich den Damm, bei dieser festen Anspannung, du nimmst deutlich war, wie die BEIDEN Ringmuskeln sich anspannen und lösen.
Ein korrektes und gezieltes Beckenbodentraining ist gerade nach der Geburt wichtig! Schwangerschaft und Geburt haben den Körper verändert, Hormone sorgten für Weichheit, die Bauchmuskulatur wurde enorm gedehnt, die Geburt hat die Geburtswege geweitet und alle Muskeln und Bänder gedehnt und belastet. Auch bei einem Kaiserschnitt ist ein korrektes Training wichtig, denn der Schnitt ging durch verschiedene Bauchmuskelschichten, dadurch ist die Wahrnehmung der Beckenbodenschichten für längere Zeit erschwert.
Allgemeine Grundregeln für das Beckenbodentraining:
- Kein Training mit voller Blase
- Jeder Schmerz ist ein Warnsignal
- Es sollten Übungen gewählt werden, die den Bauchraumdruck nicht erhöhen
- Nach Sectio sollten Übungen gewählt werden, die nicht auf die Naht drücken
Nach einer Geburt können unterschiedliche Verletzungen auch unterschiedliche Problematiken mit sich bringen, daher ist es von Vorteil, über die Unterschiede der Kräftigung der ersten Beckenbodenschicht zu wissen. Für dich habe ich noch zwei Übungen, die beide Ringmuskeln unterschiedlich kräftigen, trotzt des bewussten Anspannens der ersten Schicht:
Ausgangsposition:
Liege in Rückenlage, lege dich hierfür über die Seite hin. Deine Arme liegen locker auf deinem Bauchraum, dein Kopf ist entspannt. Spüre dein Becken und deine Lendenwirbelsäule, hat sie Kontakt zum Boden? Falls nicht, ziehe dein Schambein Richtung Kinn, damit deine Lendenwirbelsäule auf dem Boden bleibt. Deine Beine sind angewinkelt und hüftbreit aufgestellt, deine Füße bleiben auf dem Boden. In deiner Ausgangsposition atmest du entspannt durch die Nase ein, durch den Mund aus.
Übung 1:
Deine Fersen sind aufgestellt, du atmest tief durch die Nase ein, alles ist entspannt. Dein Lungenvolumen vergrößert sich, deine Bauchdecke hebt sich. Atme nun tief durch den Mund aus und aktiviere deine erste Beckenbodenschicht: Körperöffnungen verschließen, Schambein und Steißbein von innen zusammen kommen lassen. Dein Lungenvolumen verkleinert sich, deine Bauchdecke senkt sich, dein unterer Rücken bleibt lang, die Lendenwirbelsäule findet weiterhin Kontakt zur Unterlage. Beim einatmen löst du die Spannung wieder.
Übung 2:
Deine Zehen und Fußballen sind aufgestellt, du atmest tief durch die Nase ein, alles ist entspannt. Dein Lungenvolumen vergrößert sich, deine Bauchdecke hebt sich. Atme nun tief durch den Mund aus und aktiviere deine erste Beckenbodenschicht: Körperöffnungen verschließen, Schambein und Steißbein von innen zusammen kommen lassen. Dein Lungenvolumen verkleinert sich, deine Bauchdecke senkt sich, dein unterer Rücken bleibt lang, die Lendenwirbelsäule findet weiterhin Kontakt zur Unterlage. Beim einatmen löst du die Spannung wieder.
Die Fußstellungen haben eine wunderbare Auswirkung auf deinen Beckenboden. Bei einer fersenbetonten Anspannung kannst du den Afterschließmuskel und bei einer zehenbetonten Anspannung den Harnröhrenschließmuskel deutlich leichter Anspannen.
Diese Übungen kannst du in deinen Alltag einbauen und je Fußstellung ca. 2 Minuten wiederholen.
Viel Spaß bei diesen Übungen und einen kräftigen Beckenboden,
wünscht dir,
deine Sarah
Tags: Sport, Rückbildung